Mittwoch, 26. August 2009

Flexibilität prägt die Arbeitswelt – und sie muss uns nicht schrecken

Von: Thomas Daum
Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes


Die Schweiz verdankt Ihren Wohlstand zum grossen Teil ihren Erfolgen auf den Weltmärkten. Diese hängen nicht nur von Exportunternehmungen ab, sondern basieren auch auf einer starken Binnenwirtschaft, auf welche sich die Exportunternehmungen stützen können.

Mit dem Zustrom von neuen Unternehmungen und neuen Arbeitnehmenden auf die internationalen Märkte wird sich auch der Konkurrenzdruck auf die schweizerischen Unternehmungen und ihre Mitarbeitenden weiter verstärken.

Wir können diesem Konkurrenzdruck im Hochlohnland Schweiz nur dann ohne Wohlstandseinbussen Stand halten, wenn wir bezüglich Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse, Innovationskraft, Produktivität und Arbeitseinsatz zu den Weltbesten gehören.


Das Gebot der Flexibilität wird deshalb in der künftigen Arbeitswelt einen hohen Stellenwert haben, und dabei alle Bereiche des Erwerbslebens bestimmen: die Arbeitszeit, den Arbeitsort, die Arbeitsorganisation, die Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehungen und vor allem auch die Qualifikation (Aus- und Weiterbildung).

Das fordert nicht nur die Arbeitnehmenden sondern auch die Arbeitgeber, die ihrerseits die Flexibilität im Unternehmen kultivieren und am Markt darstellen müssen.

Der Flexibilisierungstrend sollte allerdings nicht dramatisiert werden. Er ist nicht so neu, wie das gewisse Kritiker glauben machen wollen, und trifft – es ist eben ein Trend – die Menschen nicht schockartig.

Die schweizerische Arbeitswelt hat in der Vergangenheit ihre Anpassungsfähigkeit immer wieder unter Beweis gestellt; es besteht kein Grund, ihr diese Fähigkeit für die Zukunft abzusprechen.

Innovation oder Tradition?

Von: Gudela Grote
Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich.

Alle reden von Innovation, die meisten fördern aber Tradition.

Dienstag, 25. August 2009

Schulen müssen Selbstmanagement unterrichten

Von: Maja Storch
Dozentin an der Universität Zürich und wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Selbstmanagement und Motivation

In Zukunft wird die Selbstmanagement-Kompetenz eine Schlüsselkompetenz für die eigene Lebensgestaltung.

Dies wird derart wichtig, dass das Selbstmanagement als Unterrichtsfach in die Schulen gehört.

Ohne diese Kompetenz ist man den Anforderungen der Welt, so wie sie sich aktuell gestaltet, nicht mehr gewachsen.

Freitag, 21. August 2009

Arbeit und Einkommen besser verteilen, besser entlohnen und voneinander entkoppeln

Von: Ueli Mäder
Professor für Soziologie an der Universität Basel und an der Hochschule für Soziale Arbeit.

Auslöser der Finanzkrise waren gewiss die fahrlässigen Liegenschaftskredite in den USA, die grossen Risiken für hohe Renditen und die verdeckte Weitergabe von Papieren ohne Wert.

Aber die Finanzkrise ist viel älter und umfassender. Sie dokumentiert auch das Gewinn- und Konkurrenzdenken, die Marktgläubigkeit und die Diffamierung des öffentlich-rechtlichen Korrektivs.

Die Finanzkrise ist auch eine System-, Orientierungs- und Sinnkrise. Hoffentlich regt uns die Krise dazu an, wieder mehr nach dem Sinn dessen zu fragen, was wir tun.

Schneller ist nicht immer besser. Und die permanente Optimierung der Effizienz erweist sich oft als bürokratischer Leerlauf und unproduktiver Stress. Vordringlich ist eine bessere Verteilung von Arbeit und Einkommen. Aber welche Arbeit zu welchem Preis? Und wie geregelt?

Wenn wir mehr Ramsch produzieren, erhöht diese Arbeit zwar das Bruttoinlandprodukt, aber sie bringt, ökologisch und ökonomisch, mehr Kosten als Erlös.

Die Wertschöpfung eines Arbeitslosen ist höher als jene eines Arbeiters, der irgendwelchen Plastik-Schnickschnack herstellt. Und die Reichen, die ihr Geld arbeiten lassen, sind mit ihren überhöhten Ansprüchen längst unbezahlbar. Wir können sie uns so nicht mehr leisten.
Halten wir uns persönlich also mehr an die sinnvolle Arbeit. Beachten wir auch stärker die unbezahlte Arbeit. Und erhöhen wir die soziale Sicherheit, indem wir Arbeit und Einkommen (nur) teilweise voneinander entkoppeln und beispielsweise die Ergänzungsleistungen auf alle Haushalte mit zu wenig Einkommen ausweiten.

So wie die AHV-Renten rentieren, würden auch diese zusätzlichen Ausgaben rentieren, den Menschen mehr Freiheit ermöglichen und das kreative Potenzial fördern. 

„Soyez réalistes, demandez l’impossible“ hiess ein 1968er-Slogan. Oder anders ausgedrückt: die konkrete Utopie ist Teil der Realität.

Meine Vision: Wir begrenzen die obersten Einkommen auf das Doppelte der untersten. Oder etwas reformistischer: auf das Dreifache.
So käme das meritokratische Prinzip wieder mehr zur Geltung. Leistung soll sich lohnen. Deshalb sollten wir auch die grossen Erbschaften von über einer Million Franken, die nach oligarchischem Prinzip mehrheitlich an Millionäre gehen, national besteuern.

Wir müssen neue Arbeitsmodelle ernsthaft prüfen

Von: Rosmarie Schneider
Dipl Erwachsenenbildnerin, ehemalige Geschäftsleiterin BENEVOL Basel (1992-2008)

Arbeit und Kapital gerecht und sozialverträglich zu verteilen ist ein Menschheitstraum, den wir seit Urzeiten zu verwirklichen versuchen und für den wir wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit Lösungen suchen werden.

So ist auch im Jahr 2009 der Arbeitsmarkt wieder einmal nach ein paar Jahren des Aufschwungs im Umbruch und versucht auf die wieder einmal schlechte Wirtschaftslage zu reagieren. Und immer noch ist Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung das oberste Ziel, das angestrebt wird.

Aber während die einen keine Arbeit finden, reicht den anderen trotz Vollbeschäftigung ihr Einkommen nicht zum Leben. Und die, die Arbeit haben, sind ständig überlastet, weil mit immer weniger Personen immer mehr geleistet werden soll.

In unserer Gesellschaft gäbe es genügend Arbeit für alle. Im sozialen und ökologischen Bereich werden viele Dienstleistungen benötigt, die heute – weil zu teuer - gar nicht mehr erhältlich sind oder die völlig unterbezahlt ausgeführt werden müssen. Freiwilligenarbeit kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, ist aber nicht die Lösung.


Neue Arbeitszeitmodelle, wie zum Beispiel das garantierte, arbeitsunabhängige Grundeinkommen werden in der Schweiz noch nicht wirklich als ernsthafte und tragfähige Möglichkeiten auf politischer Ebene diskutiert und geprüft, obwohl darin eine durchaus erfolgsversprechende Zukunftsperspektive läge.

Der Einzelne wäre nicht mehr nur vom Arbeitgeber abhängig, sondern könnte seine Talente und Fähigkeiten frei entfalten und anbieten. Unbeliebte, aber unverzichtbare Arbeiten würden teurer und daher im Wert steigen. Arbeitgeber könnten sich freuen, weil sie wirklich motivierte Mitarbeiter hätten und erst noch Kosten eingespart würden.

Eine gerechte Verteilung von Arbeit und Kapital erfordert von jedem Einzelnen ein Umdenken, weg vom bisher Erprobten. Wenn wir wirklich erfassen würden, dass wir alle nicht nur Ich-AG’s, sondern voneinander abhängig und ein miteinander verwobenes Ganzes sind, wären wir dieser Vision schon einen wesentlichen Schritt näher gekommen.